Wie das letzte Mal angekündigt, möchte ich heute eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheitsfamilie euch vorstellen – die Sprangtechnik. Diese Netztechnik ist sogar älter als das Weben.
Frau Dr. Karina Grömer schreibt in ihrem Buch „Prähistorische Textilkunst in Mitteleuropa“, dass Netztechniken schon in der Alt- und Mittelsteinzeit bekannt waren. Das bedeutet, dass diese Art von Geweben schon seit über 8000 Jahren von uns Menschen gefertigt und getragen wird. Da aber das verwendete Biomaterial – also Garne aus Wolle oder Bast – sich sehr leicht abbauen, fand man die ersten handfesten Beweise in Form von Abdrücken erst ab der Jungsteinzeit. In ihrem Artikel „Textilabdrücke an den Innenseiten von Tiegeln aus Erdeborn“ erzählt Frau Dr. Karina Grömer von flächig eingedrückten textilen Strukturen in Gefäßbruchstücken, die von Sprangtechniken stammen könnten.
Solche Abdrücke können durch die Produktion der Gefäße selbst entstehen oder aber beim Gebrauch der Gegenstände – so wie bei diesem Fund – auf der Innenseite von Salztiegeln, die für das Sieden von Salz benutzt wurden.
Das erste erhaltene Spranggeflecht fand man im Grab der Frau von Borum Eshoj, das aus der Bronzezeit, also um ca 1300 vor Christus, stammt. Als Borum Eshoj bezeichtnet man die Hügelgräber, die nahe Arhus im dänschen Jütland liegen. 1871 wurde das Grab dieser 50 – 60jährigen Frau gefunden. Leider wurde dies nicht von Archäologen gefunden, die Funde gelangten aber dennoch ins Nationalmuseum, wo man sich nun das gut erhaltene Haarnetz anschauen kann. Wer sich gerne das Grab online anschauen und sich näher über die 40 anderen Gräber, die dort gefunden worden sind, informieren möchte, dem habe ich wieder die links dazu in die shownotes gestellt. Außerdem findet ihr dort auch die links zu den Artikeln mit den Abdrücken auf den Gefäßbruchstücken.
Sprang begleitet uns also schon wirklich lange und verbreitete sich mit den Völkern. Wir finden es in den römischen Siedlungen in der Schweiz, als auch in koptischen Gräbern in Ägypten. Und wenn viele Menschen über lange Zeit eine Technik ausüben, wird diese auch perfektioniert und kreativ angepasst. Findet man am Anfang nur Haarnetze und Aufbewahrungsnetze, so findet man im 6. Jhd nach Christus in Norwegen auch Beinlinge, die mittels Bändern aus der Brettchenwebtechnik verhübscht wurden.
Sogar in Südamerika und Asien wurde die Sprangtechnik gefunden. Diese Funde reichen bis ca 1100 Jahre v. Christus zurück.
Aber obwohl sie über tausende von Jahren verwendet wurde und sie im Grunde nicht schwer zu erlernen ist, geriet sie in Vergessenheit. Dabei bietet diese Technik viele Vorteile:
das Geflecht ist dehnbar und stabil zugleich,
es kann sehr dicht und auch wenig dicht geflochten werden und bietet daher eine Vielzahl an Verwendungsmöglichkeiten,
durch die Dehnbarkeit kann ein Kleidungsstück für viele Körperformen ohne Änderung angefertigt werden und
in der Aufbewahrung sind Sprangbeutel sehr klein und dehnen sich im Gebrauch aus.
Also wie funktioniert Sprang nun? Das wichtigste zuerst: Die Kettfäden sind oben und unten fixiert. Wenn man nun in der Mitte zwei Fäden verkreuzt, so wirkt sich das nach oben und nach unten aus – man arbeitet also bidirektional. Und das bedeutet nun, dass man niemals loslassen darf, da sich sonst das Geflecht wieder auflöst.
Um genau nachzuschauen, wie Sprang funktioniert habe ich euch ein gutes Video von Sally Pointer in den shownotes verlinkt. Auch eine Seite mit Anleitungen von spätrömischen und byzantinischen Haarnetzen findet ihr in den shownotes.
Das Wort Sprang kommt aus dem Schwedischen Spranging, was so viel wie „laufend“ bedeutet. Ob damit gemeint ist, dass man seine Finger laufend bewegt oder dass es sich auftrennt sobald man es loslässt, sei dahingestellt.
Wie schon erwähnt werden die Kettfäden oben und unten fixiert. Man arbeitet nun von rechts nach links und dreht oder kreuzt die Fäden – ähnlich der Klöppeltechnik. Bei dieser Technik gibt es keinen Schussfaden, das Gewebe entsteht alleine durch das Verdrehen der Fäden. Dadurch, dass es oben und unten fixiert ist, wird entsteht durch Drehen der Fäden in der Mitte eine Kreuzung oberhalb und unterhalb der Mitte. Fixiert werden diese Kreuzungen und Drehungen durch Stäbchen, die ein Zurückdrehen verhindern. Diese Stäbchen wandern nun mit jeder Reihe weiter bis man nun das Gewebe in der Mitte angelangt ist und keine Drehungen mehr möglich sind. Um nun dieses Gewebe endgültig zu fixieren, hebt man den rechtesten Strang über den nächstfolgenden und dann wieder über den nächsten – vergleichbar mit dem Aufheben von Maschen im Strickgewebe. Die letzte Masche wir mit einem Randfaden vernäht bzw. mit Bändern fixiert.
Wofür kann man nun diese Technik verwenden? Ja, da ist der Kreativität keine Grenze gesetzt – allein auf Pinterest gibt es unglaubliche Dinge zu bestaunen – angefangen von Haarnetzen über Shirts bis hin zu Hängematten und Einkaufsnetzen. Schöne Anleitungen findet man auch auf Youtube und in der Facebookgruppe. Und welches Garn sollte man verwenden? Da die Technik alleine schon elastisch ist, sollte man je nach Verwendung auch das Garn anpassen. Für stark beanspruchtes Gewebe wie einem Einkaufsnetz oder einer Hängematte sollte man auf ein nichtelastisches Garn setzten – zB. Leinen oder Hanf. Wenn es sich noch stärker ausdehnen soll, dann wird man mit Wolle glücklich. Jedenfalls ist diese Technik eine sehr spannende und es lohnt sich, diese wieder aus der Mottenkiste herauszuholen. Dazu ist sie so einfach, dass sie auch für kleine Kinder gut geeignet ist – als Tipp für unsere Kindergärtner und Volksschullehrer.