Ich hab mir, um meinen Rücken zu schonen bzw. ausheilen zu lassen, einen e-spinner angeschafft. Zu meiner Überraschung ist das Spinnergebnis völlig anders als mit einem fußbetriebenen Spinnrad. Es ist ein weiterer Schritt Richtung maschineller Produktion – ein Übergang sozusagen. Es ist dabei aber nicht weniger gut oder schlechter, es ist eben anders. Das Garn ist vielleicht ebener oder gleichmäßiger, jedenfalls ist es schneller.
Und wenn ich mir nun meine Garne so anschaue, anfühle, so ist das Besondere im handgesponnenen Garn das Gefühl beim Angreifen – gar nicht so das Aussehen. Es hat ein Stück der Seele miteingesponnen, man kann die Spinnerin erfühlen. Ein Pullover aus handgesponnenem Garn wird niemals einen Zwilling haben – auch wenn das Muster gleichbleibt.
Ein Garn, das mit einer Handspindel gesponnen wurde, hat für mich die meiste Seele, gefolgt vom Spinnrad. Ab dem e-spinner gehe ich persönlich von einer maschinellen Produktion aus – was natürlich bezüglich Gleichmäßigkeit und Verarbeitung Vorteile hat. Und so ist es nicht nur die Zeit, die man für das Spinnen eines Garns benötigt, der ausschlaggebende Preisfaktor, es ist auch die Seele, die miteingesponnen wird.
Vor kurzem habe ich einen Artikel von Prof. Karina Grömer gelesen, worin ein Stück Brettchengewebe aus Hallstatt beschrieben wurde. Wenn ich darüber nachdenke, wie alt dieses kleine Gewebe ist und wie fein dieses gearbeitet wurde, so kann ich nur über die Kunstfertigkeit der damaligen Spinnerinnen staunen. Und obwohl die Hallstattzeit grob 2500 Jahre her ist, muss die Spinnerin von damals schon eine große Expertise gehabt haben. So habe ich mir nun gedacht, ich begebe mich auf die Suche nach den Anfängen der Spinnkunst.
Tatsächlich sind die Anfänge der textilen Kunst nur indirekt zu erforschen. Da Fasern und auch Produktionsmittel wie Spindeln oder Webrahmen organischen Ursprungs sind – also aus Pflanzen oder von Tieren kommen – finden wir diese nun nicht mehr – sie sind verrottet und können uns leider keinen Nachweis mehr geben. Aber im Podcast „Erklär mir die Welt“ erzählt Prof. Karina Grömer, dass sie einen sehr ungewöhnlichen Zugang gefunden haben: nämlich über die Kleiderlaus. Die Kleiderlaus (Pediculus humanus corporis) hat ihren Wohnsitz ausschließlich in der Kleidung – im Gegensatz zu ihrem Verwandten, der Kopflaus. Diese lebt direkt am Körper und mischen sich auch nicht mit der Kleiderlaus. Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ist es nun durch DNA Untersuchungen gelungen, den Zeitraum ausfindig zu machen, in dem sich die Kleiderlaus aus der Kopflaus heraus entwickelt hat. Und diese Spaltung war nun vor ca 76.000 Jahren! Also kann man davon ausgehen, dass Menschen ca. vor 76.000 Jahren begonnen haben, aus pflanzlichen Fasern Garn zu machen, die dann zur Bedeckung dienten.
Frau Prof. Grömer berichtet auch von Perlen, die in Gräbern gefunden wurden. Diese müssten wohl an Stoffen bzw. Fäden befestigt gewesen seien. Im Artikel von archaelogie-online.de wurde über einen Fund berichtet. Es wurden nämlich Mammutelfenbeiperlen in den Weltkulturerbe-Höhlen des Achtals und Lonetals gefunden, diese waren wohl 42.000 Jahre alt – und stammen somit aus der jüngeren Altsteinzeit. Zu dieser Zeit wurden die Fasern wohl mit der Hand gedreht – evtl mit der Hand am Oberschenkel – die Verwendung einer Spindel konnte nicht nachgewiesen werden.
Dieser Nachweis konnte mit dem Fund eines Spinnwirtels aus den Grabungen von frühneolithischen Siedlungen in Griechenland erbracht werden. Der älteste Spinnwirtel ist stammt aus dem 6. Jahrtausend vor Christus. In Mitteleuropa tauchen die ersten Spinnwirtel und Webstühle ab ca 5.500 vor Christus. Da fand man auch Spinnwirtel aus Keramikfragmenten, dabei wurden in Keramikscherben ein Loch in die Mitte gebohrt. Nach diesen Keramikscherben wurden scheibenförmige Spinnwirtel hergestellt und ab der frühen Eisenzeit – also 800 v.Chr. waren diese Wirtel klein und verspielt – ja richtig künstlerisch gemacht.
Während sich die Webtechniken in den folgenden Jahrhunderten verfeinerten und neue erfunden wurden, blieb die Spinntechnik immer gleich. Erst im Hochmittelalter finden wir die ersten Spinnräder in Mitteleuropa – die Anfänge dieser Spinnräder – der sogenannten Spindelräder – sind wahrscheinlich in China vor 2000 Jahren zu finden. Diese Bauwollspinnräder kamen dann über die Handelswege nach Mitteleuropa. Ab dem 13. Jahrhundert finden wir eine Abwandlung dieser Baumwollspinnräder in Mitteleuropa in verschiedenen Chroniken, da die Qualität des Garns oft deutlich schlechter war als jenes von Handspindeln. So gab es sogar in einigen Städten, wie zB Venedig oder Paris ein Verbot von Spindelrädern. Dennoch setzten sich die Spindelräder durch und wurden weiterentwickelt.
Das Spinnen mit einem Spindelrad hat das Problem, das es kein fortlaufender Prozess ist. Wie bei einer Handspindel wird der Faden verdreht und muss dann in einem zweiten Arbeitsschritt aufgewickelt werden, bevor wieder eine Länge Faden gedreht werden kann. So wurde der Spinnflügel erfunden – nun konnte fortlaufend gesponnen werde. Die erste Darstellung eines Flügelspinnrades ist im Hausbuch der Fürsten Waldburg-Wolfegg aus dem Jahr 1480 zu sehen. Auch Leonardo da Vinci arbeitete an einer Verbesserung des Spinnrades. Seine Skizzen dazu stammen aus dem Jahr 1490. Ein YouTube Video über einen Nachbau dieses Spinnrades findet ihr wieder in den shownotes.
Mitte des 16. Jahrhundert wurde nun der Fußantrieb erfunden. Dieses Spinnrad ist nun jenes Spinnrad, das wir auch heute noch benutzen. Die weiteren Entwicklungen ziehen sich nun nur mehr auf die industrielle Ausrichtung.
Lewis Paul und John Wyatt erfanden 1738 die erste Spinnmaschine, wobei aber nicht bekannt ist, wie genau diese Maschine funktioniert hat. Die Qualität des Garns konnte offenbar nicht überzeugen.
Erst die Erfindung der Spinning Jenny 1764 von James Hargreaves fand Beachtung. Sie konnte anfänglich 8 Fäden gleichzeitig spinnen – nach einigen Verbesserungen waren es dann sogar 100 Fäden. Jedoch wurde diese Maschine noch mittels Hand angetrieben und die Fäden waren nicht sehr fest und konnten nur als Schussgarn verwendet werden.
Die erste Spinnmaschine mit Wasserradantrieb wurde 1769 von Richard Arkwright erfunden. Seine Waterframe wurde auch industrielle eingesetzt.
Die weitere Entwicklung fand über eine Dampfmaschine 1785, dann über die Ringspinnmaschine 1828 bis hin zur Rotorspinnmaschine von Julius Meimberg 1955 statt.
Aber bleiben wir nun bei unserem Spinnrad. Der Aufbau hat sich im Wesentlichen nicht verändert, nur die Optik, bzw. Änderungen für eine leichte Transportierbarkeit wurden erfunden.
Ein Spinnrad wird nun von unten her so aufgebaut: Der Antrieb erfolgt über das Trittbrett – traditionell ist es für den rechten Fuß gefertigt, aber es gibt auch Doppeltrittantriebe, wobei mit beiden Füßen abwechselnd angetrieben wird.
Der Knecht ist nun die Antriebsstange, die über eine Kurbel das Schwungrad antreibt. Mit diesem Schwungrad wird nun die Antriebsschnur bewegt, die nun ihrerseits den Spinnwirtel antreibt. Dieser Spinnwirtel dient der Übersetzung des großen Schwungrades. Der Spinnwirtel ist nun entweder mit dem Flügel oder der Spule verbunden, welche dann für die Drehung, den Drall, sorgt. Da für den Einzug der Flügel und die Spule in unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen müssen, wird nun beim Flügelantrieb die Spule gebremst, wobei beim Spulenantrieb der Flügel gebremst wird. Ein tolles YouTube Video mit der genauen Erklärung, habe ich euch wieder in den shownotes verlinkt. Mit den Bildern ist es leichter die Antriebsarten zu verstehen.
Wer nun aber die Erfindung des e-spinners gemacht hat, konnte ich leider nicht ausfindig machen. Jedenfalls finde ich diese Erfindung eines elektrisch angetriebenen Spinnrades für uns Spinnerinnen großartig – trotz all auch der Einschränkungen. Aber durch diese Erfindung können Menschen mit Wirbelsäulen-, Hüft- oder Fußproblemen auch spinnen – es ist ein Gewinn für die Inklusion.