Das Schaf begleitet uns schon seit Tausenden von Jahren – genauer gesagt, gehen Historiker davon aus, dass das Schaf um ca. 8000 v.Chr. in Anatolien zu uns als Nutztier kam. Damals wurde es sicher zur Nahrung gehalten, aber bald merkten die Menschen, dass die Wolle der Tiere sehr nützlich ist.
Die Archäologen gehen davon aus, dass ab 6500 v.Chr. die Schafe auch wegen ihrer Wolle gehalten wurden. Eine sehr frühe Schafrasse ist das Zackelschaf, das vom Aussterben bedroht ist, aber in der Steiermark gehalten wird. In einer der nächsten Folgen möchte ich mich mit diesem außergewöhnlichen Schaf beschäftigen und eine Züchterin besuchen.
Schon damals wurde das Schaf geschoren und die Wolle dann ausgekocht. Meine persönliche Annahme ist, dass sie schon damals wussten, dass man die Wolle besser verspinnen kann, wenn sie von den Verschmutzungen befreit ist. Und wahrscheinlich entdeckten sie, dass – wenn man die Wolle kocht und dieses Abwasser stehen lässt – sich ein Film an der Oberfläche bildet. Das Wollwachs war entdeckt.
Also wie – Wollwachs oder Lanolin? Gibt’s da einen Unterschied oder ist es dasselbe?
Und ja – es gibt einen Unterschied und dieser bzw. diese Unterschiede werden durch den Menschen immer größer. Wollwachs beinhaltet Lanolin – aber auch andere Substanzen. Im Laufe der Jahrhunderte und im Laufe der zunehmenden Verschmutzung durch den Menschen wurden auch die verunreinigenden Substanzen im Wollwachs mehr.
Aber beginnen wir einmal mit dem Lanolin – was ist genau Lanolin. Lanolin – also ich spreche hier vom pharmazeutischen Lanolin ist eine Mischung von wahrscheinlich hunderten von einzelnen Substanzen, die viel zu komplex ist, diese künstlich herzustellen. Es ist also nicht ein Stoff, sondern es sind hunderte Komponenten, die wir Lanolin nennen. Sie setzten sich überwiegend aus langkettigen Estern und anderen Estern zusammen. Was sind nun wieder langkettige Ester? Also langkettig bedeutet genau das: eine lange Struktur, die sich aus Kohlenstoff-Estern zusammensetzt. Und Ester? Das sind nun Substanzen die entstehen, wenn eine Säure mit einem Alkohol reagiert. Warum das nun genau Ester heißt, kann euch nur der Chemiker Leopold Gmelin sagen. Der hat nämlich diesen Begriff im Jahre 1850 aus dem historischen Begriff Essigäther abgeleitet. Wer sich von euch damit beschäftigen möchte, ich habe euch einen link in die shownotes gesetzt, wo ihr euch ein Video über diese Ester anschauen könnt.
Als gut – was wissen wir nun? Lanolin besteht aus hunderten Komponenten und dieses Lanolin neigt nun dazu, Verschmutzungen aufzunehmen. Diese verunreinigenden Substanzen kann man in 3 Kategorien einteilen: in Pestizide, in Tenside und in Kontaminierung durch Luftverschmutzung.
Pestizide sind für viele Schafbauern – besonders in Australien notwendig. Die Tiere werden damit besprüht, damit sich keine Milben, Fliegen und andere Tiere in der Wolle bilden.
Tenside kommen bei der Reinigung der Wolle zum Einsatz, es sind Waschmittel. Laut EU-Verordnung müssen Tenside oder andere chemische Verbindungen zur Reinigung der Wolle benützt werden, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Das größte Problem bei der Aufreinigung des Lanolins bildet aber die Umweltverschmutzung – besonders die Luftverschmutzung. So konnte man nach dem Golfkrieg Partikel der verwendeten Munition im Lanolin von asiatischen Schafen wiederfinden. Die Entfernung solcher Partikel ist sehr schwierig, da sie ja zuerst detektiert und erkannt werden müssen, bevor man überhaupt weiß, wie man diese entfernen kann. Dies war eben damals im Golfkrieg – welche Komponenten von den heutigen Kriegen, besonders dem Ukrainekrieg in der Luft sind, an die mag ich erst gar nicht denken. Aber so wie der Sahara-Sand, kommen auch diese Partikel zu uns und wir atmen sie ein, die Tiere atmen diese ein, sie fallen auch auf unseren Boden, wo unser Gemüse – aber auch die Nahrung unserer Tiere – wächst und eben auch auf unsere Tiere.
So muss man eben heutzutage von einer direkten Verarbeitung dieses Wollwachses eher abraten – dennoch hat das Lanolin Eigenschaften, die unserer Haut sehr gut tun.
Welche Eigenschaften hat nun Wollwachs? Das Wollwachs schmilzt bei einer Temperatur von ca. 41° C und ist wasserunlöslich, d.h. nun für uns, dass wir für die Reinigung der Wolle ein Waschmittel benötigen, das dieses Wachs nun mit dem Wasser verbindet, so dass die Wolle dann davon befreit ist. Um das Wollwachs aber zu gewinnen, erhitzt man die Wolle sehr lange und drainagiert das Wollfett ab. Fällt dieses Wachs dann aus, so hat es eine gelbe Farbe, fühlt sich an wie eine Salbe und hat einen typischen Geruch. Das nun gereinigte Wollwachs heißt „Lanolin“ und das seit 1882. Denn da hat Otto Braun dieses Wort für sein Patent in Berlin verwendet. Lanolin war auch eines der ersten Markennamen, die von August Luhn und Co.GmbH 1903 in Bremen verwendet wurde. Also Lanolin ist nun ein Gebrauchsname und ein Markenname, im Grunde könnte man sagen, vor tausenden Jahren war das Wollwachs das Lanolin – man könnte es sozusagen als gegenseitiges Synonym verwenden, wenn es die menschengemachte Verschmutzung nicht gäbe.
Lanolin hat nun ausgezeichnete Eigenschaften für unsere Haut. Schon die Ägypter haben das Wollwachs als Creme für ihr Gesicht verwendet. Auch die Griechen verwendeten Wollwachs. So schrieb der griechische Arzt Pedanlus Dioscorides eine Enzyklopädie medizinischer Substanzen, worin auch Lanolin für seine heilende und die Haut weichmachende Eigenschaft beschrieben wurde.
Lanolin kann sehr leicht in unsere Haut eindringen und hält diese geschmeidig. Es ist aber auch gut lagerungsfähig, da es nicht leicht ranzig wird. Lanolin ist kein Fett sondern zählt zu den Wachsen und kann auch gut Wasser aufnehmen – nämlich das Mehrfache seines Gewichtes und bildet dabei eine Emulsion – das heißt, dass sie nicht miteinander verschmelzen sondern das Wasser zwischen den Wachsteilen eingelagert wird. Die dafür verantwortlichen Bestandteile im Lanolin können aber auch manchmal allergische Hautreaktionen wie z.B. Rötungen und Schwellungen auslösen.
Wer aber das Glück hat, nicht allergisch zu reagieren, kann von den guten Wundheil- und Pflegeeigenschaften profitieren.
Auch zur Lederpflege eignet es sich – da ja Leder nur gegerbte Haut ist.
Wenn wir nun unsere Wollpullover über den Sommer verstauen wollen, so kann ich eine Wollkur empfehlen. Diese Wollkuren enthalten neben schmutzlösenden Seifen auch Lanolin, dass die Wolle wieder weicher und widerstandsfähiger macht. Im Frühjahr den Wollpullover mit einem Wollwaschmittel gewaschen, mit einer Wollkur wieder geschmeidig gemacht und in einem Leinentuch gewickelt und mit einem Mottenschutz versehen – so kann ein Pullover gut den Sommer überstehen. Trotzdem sollte er ab und zu bewegt und ausgeschüttelt werden, damit sich die Motten nicht doch einen Weg in den schönen Pullover beißen.
Es gibt auch Wollimprägnierungen, die v.a. für Wollwindeln gedacht sind. Die so behandelte Wolle ist wasserabweisend.
So begab es sich im Jahre 1856, dass ein junger Tuchmacher ein Geschäft in Hampshire, England, aufmachte. Sein Name wird vielen ein Begriff sein, er hieß Thomas Burberry. Er verkaufte auch seine Waren an die Schäfer in seiner Umgebung. Eines Tages bemerkte er, dass die Umhänge der Schäfer, die aus seinem Tuch geschneidert wurden, also nur jene, die von den Schäfern getragen wurden, im Sommer kühl, im Winter warm und bei Regen wasserabweisend waren. Er kam mit einem der Schäfer ins Gespräch. Der Schäfer meinte, dass wohl die wachserne Substanz auf der Wolle seine Kleidung wasserabweisend gemacht hat. Der Rest ist Geschichte. Heute zählt Burberry wohl zu den bekanntesten Marken Englands.
Für jene, die sich wirklich mit den chemischen Eigenschaften von Lanolin auseinandersetzen möchten, habe ich die Veröffentlichung von pubmed und science.gv in die shownotes hineingestellt. In diesen Veröffentlichungen sind auch weitere chemische und pharmakologische Studien verlinkt.
Und wie wird nun Lanolin aufgereinigt? Darüber gibt uns die Deutsche Lanolin-Gesellschaft einen Einblick. Zuerst wird nun das Wollwachs mit verdünnter Salz- bzw. Phosphorsäure ausgekocht. Dabei werden die Seifen und auch säurelöslichen Verunreinigungen von den Fettsäuren gelöst. Nach dem Auskochen trennt sich das Wollwachs von den anderen Substanzen. Die anderen Substanzen werden nun abgesaugt und das Wollwachs wird so lange mit Wasser gespült, bis es wieder im neutralen pH-Bereich ist. Im zweiten Schritte werden nun die freien Fettsäuren mit Natronlauge entfernt. Anschließend wird die daraus entstandene Substanz mit Alkohol aufgelöst und wieder zum Kochen gebracht. Daraufhin erfolgt beim Erkalten wieder eine Auftrennung in Wachs und Flüssigkeit, wobei die Flüssigkeit wieder abgesaugt wird. Danach muss das Wachs wieder gewaschen und anschließend getrocknet werden. Auch für die Trocknung gibt es eigene Verfahren.
Anschließend werden noch Seifenreste entfernt – wobei wieder mit Alkohol gelöst wird und diese Seifenreste mithilfe einer Aktivkohle abgetrennt und anschließend gefiltert. Nach anschließender Bleichung, damit das Lanolin hübscher ist, und einer Trocknung müssen noch Pestizidrückstände mittels Destillation entfernt werden.
Danach wird das Ergebnis analysiert – eventuell müssen einzelne Schritte noch einmal durchlaufen werden. Nach einer Filtration ist das Lanolin für pharmazeutische und kosmetische Zwecke verwendbar.
Der Einsatz von Lanolin in diesem Bereich ist noch lange nicht ausgeschöpft. So zeigt uns eine aktuelle Studie, sie wurde in plos one veröffentlicht, dass eine Vaseline-Lanolin-Mischung ausgezeichnete, langanhaltende und feuchtigkeitsspendende Eigenschaften hat. Diese Mischung kam in der Coronakrise in den Kliniken zum Einsatz, wo Menschen, die in der Pflege beschäftigt sind, über mindestens 4 Stunden pro Tag Handschuhe tragen und deren Hände ständig mit Desinfektionsmittel in Berührung kamen. Durch den Einsatz dieser Vaseline-Lanolin-Mischung konnten die Hautirritationen wesentlich vermindert werden.
Was ist nun aber mit den Allergien? In einer Studie, die in der National Library of Medicine veröffentlicht wurde, reagierten ca. 28 % der Probanden auf eines der Lanolinalkohole. Wobei eine andere Studie in derselben National Library of Medicine diese Allergie auf einen Mythos zurückführt, der von der pharmazeutischen Allergietestindustrie aufgebracht wurde. Eine weitere Studie führt die allergische Reaktion auf die Chemikalien zurück, die während des Reinigungsprozesses verwendet werden.
Ob es nun eine Lanolinallergie gibt oder nicht, leider kann ich euch das nicht sagen, aber was man als Wollproduzent – egal ob privat oder geschäftlich – tun muss, ist, dass man beim Verschenken und Verkaufen darauf hinweisen muss, dass eine natürlich und ökologisch verarbeitete Wolle auch Lanolin noch enthält. Erst durch den Einsatz von Chemikalien und einer anschließenden Analyse kann man sicher gehen, dass absolut kein Lanolin mehr in der Wolle ist.
Mein Tipp: macht euch kleine Armbänder mit der Wolle, tragt diese einige Tage und Nächte und schaut, wie die Haut reagiert. Sollt die Haut rot werden, anschwellen, jucken, heiß werden oder sich kleine Bläschen bilden, so verwendet diese Wolle nicht! Greift zu anderen Wolllieferanten, wie Alpaka oder Hunde oder Kaninchen oder eben kauft die Industriewolle.