Was hat ein Handwerksmuseum mit sustainable living zu tun?
Letzte Woche habe ich ja einen kleinen Urlaub genommen und so waren wir in unserer zweiten Heimat in St. Lambrecht über die Feiertage. Das Wetter war herrlich und mein Flachsfeld liebt St. Lambrecht offenbar auch, denn der Flachs ist dort schon kniehoch. Ich bin schon gespannt, wie hoch der Flachs wird, denn es ist ja noch über einen Monat bis zur Ernte.
In den paar Tagen hab ich wieder an Bertas Flachs weiterspinnen und auch ein bisserl verweben dürfen. Ich hab euch ja von Christianes Projekt „Bertas Flachs“ schon ein wenig erzählt. Christiane von Faser und Faber wird uns aber über ihr Projekt noch einmal genauer berichten.
Diese paar freien Tage habe ich auch dazu genutzt, das Handwerksmuseum in Murau zu besuchen. Es ist sehr leicht zu finden – vom öffentlichen Parkplatz unter dem Stadtzentrum sind es nur sehr wenige Gehminuten bis zum Museum – der Eingang liegt etwas versteckt hinter Mauern, aber ist gut beschriftet. Ich habe davor schon mit Herrn Baltzer Kontakt aufgenommen und so wurden wir von den zwei Damen im Museum sehr liebevoll begrüßt.
Führungen finden jeweils um 14:00 Uhr und um 16:00 Uhr statt und so kamen wir in den Genuss einer Führung. Die Ausstellung findet auf 3 Ebenen statt und man braucht schon einige Zeit, um sich alles anschauen zu können. Im Erdgeschoß befindet sich die – ich würd sagen – Eisenabteilung. Hier kann man natürlich die Nähe der Region zum Erzabbau und Erzverarbeitung sehen. Es ist auch unglaublich, wie liebevoll die Erz verarbeitenden Handwerker ihre Gerätschaften für den täglichen Gebrauch verziert haben. Allein diese für grobe Tätigkeiten verwendeten Geräte wurden mit zarten, künstlerischen Mustern versehen.
Weiter geht’s dann zur Bäckerei und zum Schuster und zum Schneider – und wir sehen die schönsten und tollsten Werkstücke – absolut einwandfrei und wunderschön gearbeitet. Und plötzlich wird mir bewusst – kein einziges Gerät, keine einzige Arbeit wurde mit Strom betrieben – weder beim Kunstschmied noch beim Tischler. Aber trotzdem war das den Werkstücken nicht anzusehen – ganz im Gegenteil – ich habe selten so gut gearbeitetes Schmiedewerk gesehen – die Drechselarbeiten so liebevoll und so detailreich.
Im ersten Stock befinden sich die Gegenstände des alltäglichen Lebens der Menschen aus Murau. Vom Schaukelpferd über die Stube bis hin zu den Instrumenten. Versteckt im hintersten Winkel gibt es ein Babyjäckchen, so fein gearbeitet, es könnte aus Zwirn sein. Allein beim Anblick des Jäckchens gingen mir die vielen Stunden der Arbeit – vom Spinnen, Verzwirnen bis hin zu dieser wunderbaren Strickarbeit. Ein Meisterstück der Strickkunst nicht mehr aus dem Kopf. Und immer wieder finden sich alte steirische Socken mit liebevollen Mustern mit Namen wie „die ewige Liab“ oder „das Fensterl“.
Auch eine genähte, schwarze Damenjacke findet sich in einem Schaukasten – ich schätze, sie stammt wohl aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Apropos Damenjacke – im Bereich der Sonderausstellung gibt es eine Damenjacke mit eingearbeitetem Schnürleib – im Stile des Biedermeiers. Die Hüte sind prachtvoll mit Goldverzierungen – mir scheint es sind geklöppelte Goldfäden. Und wieder – winzigste Stiche, feinste Materialien, perfekte Verarbeitung und alles ohne Strom.
Im obersten Geschoß kann man den Bauern quasi beim Arbeiten zuschauen. Von der Flachsverarbeitung über das Nähen bis hin zum Waschen und sogar Bügeln. Die Stube ist herrlich mit einem kleinen Flachsspinnrad eingerichtet. Und wieder alles ohne Strom.
Jetzt denken sicher einige von euch – was will sie immer mit dem Thema „Strom“? Und warum soll ich mir das alte „Krafl“ eigentlich anschauen? Wir habens heute viel leichter mit den neuen Geräten und haben die alte, mühsame Zeit endlich hinter uns gelassen.
Ja, wirklich? Ist die schöne neue Stromzeit wirklich so super? So sustainable (um ein neudeutsches Wort zu verwenden)? Also, ich spreche nicht davon, dass man es früher leichter gehabt hat und manche Geräte haben wirklich eine Verbesserung gebracht. Ich habe am Wochenende auch die Bauern beim Einbringen des Heus beobachtet, wie der Traktor mit den verschiedenen Anhängern zuerst das Heu geschlichtet hat und dann zu Rollen gedreht hat. Das war früher wirklich eine viel härtere Arbeit, die viele Hände gebraucht hat – obwohl es auch jetzt eine wirklich harte Arbeit ist, wenn man bei knapp 35 Grad im Traktor sitzen muss, um das Heu trocken einbringen zu können.
Aber es gibt auch Tätigkeiten, die früher genauso gut, mit dem gleichen Aufwand gemacht wurden, wie wir heute mit unseren Stromgeräten machen. Bügeln zum Beispiel oder Staubsaugen. Meine Tante hatte zwar auch einen Staubsauger, der kam aber sehr selten zum Einsatz – sie hatte lieber die rollenden Teppichbürsten. So eine Teppichbürste hab ich mir nun auch besorgt und was soll ich sagen? Sie ist effizienter, bürstet den Teppich sogar fast besser – man braucht keinen Strom, keine Beutel und sie ist leichter zu verstauen. Wie viel schwerer die Arbeit dabei ist? Gar nicht – sie ist sogar leichter. Natürlich werde ich für den Feinstaub den Staubsauger verwenden – aber nicht mehr jeden Tag, sondern vielleicht nur mehr einmal im Monat. Das ist besser für unsere Lungen, für die Feinstaubbelastung und auch für die Umwelt. Naja – ich allein werde damit den Stromverbrauch nicht verringern, aber wenn alle österreichischen Haushalte sich so umstellen würden, würde man das schon merken.
In Anbetracht der Energieknappheit – besonders der Stromknappheit werde ich nun meinen Haushalt auf Strom vermeidend umstellen. Wer mich persönlich kennt, weiß, dass ich schon seit Jahrzenten eine kleine Prepperin und eine Stromvermeiderin bin. Prepper – was das ist? Das ist die Vorsorge für Krisenfälle – also, wenn der Strom zB ausfällt und man im Supermarkt evtl über Tage hindurch nichts mehr bekommt – aber auch im Krankheitsfall, wenn man nicht aus dem Haus kann oder darf. Auch kann man seine eigenen Früchte aus dem Garten einrexen, einlagern bzw einfrieren, so dass man heimisches Obst das ganze Jahr über hat und keine spanischen Äpfel kaufen muss. Auch wenn das Einfrieren nun auch Strom verbraucht, so ist es aber besser als Früchte quer über den Kontinent zu verbringen. Ja auch wenn man keinen Garten hat, kann man heimisches Obst beim Obstbauer kaufen und aufbewahren.
Das Programm fibershed ist toll, sollte aber auf alle Bereiche in unserem Leben umgelegt werden. Früher hatten wir viele Methoden, um Nahrung haltbar zu machen. Letzten Endes haben wir durch die „schöne neue Welt“, die ertragreichen Nachkriegsjahre und dem Irrglauben an eine Welt, die durch Computertechnik uns die Arbeit abnimmt, unser altes Wissen aufgegeben. Wer hätte auch damals gedacht, dass Hackerangriffe, ein Krieg, eine Pandemie und auch die Forderung nach massenhaften elektrobetriebenen Autos und Geräten die Stromversorgung gefährdet?
Werden wir im Winter einen Blackout bekommen – oder eventuell früher? Ich weiß es nicht. Ich kann euch auch gar nicht sagen, ob diese Befürchtungen begründet sind. Was ich aber weiß, ist, dass wir schleunigst unser Konsumverhalten ändern müssen, um unseren Planeten zu retten. Wir müssen beim Einkaufen nachdenken – es kann nicht sein, dass wir eine Plastikpackung für Palatschinken kaufen, wo wir noch Eier und Milch hinzufügen müssen, wenn mir Mehl in einem Papiersackerl zu Hause haben. Es kann nicht sein, dass wir Obst und Gemüse aus Übersee kaufen, wenn wir den Gemüse- und Obstbauern ums Eck haben – dabei sprech ich vor allem von dem Problem der Äpfel in den Supermärkten.
Und was wir beim Einkaufen tun sollten, um uns selbst zu retten, sollten wir auch mit den Geräten tun. Brauche ich wirklich immer ein strombetriebenes Gerät? Muss ich alles bügeln? Muss ich immer mit dem Auto fahren? – Wo macht es Sinn und wo sind wir einfach von der Industrie verblendet worden? Bitte versteht mich recht, es ist kein Aufruf, so zu leben wie vor 200 Jahren. Es ist ein Aufruf, genauer hinzuschauen, nachhaltiger zu leben – eben nachzudenken, was für jeden selbst Sinn macht.
Und was hat das genau nun mit dem Handwerksmuseum zu tun? Wir wissen oft gar nicht mehr, dass es nachhaltigere Möglichkeiten gibt. Wir kennen die alten Techniken nicht mehr. Das Handwerksmuseum ist kein Ort, wo Menschen altes „Gedankengut“ wiederaufleben lassen, sondern eine Bibliothek für Nachhaltigkeit und Wissen und sollte für uns alle von höchstem Interesse sein. Nur wer alte Techniken versteht, kann diese in unserer heutigen Zeit übersetzen, um neue, nachhaltigere Methoden zu entwickeln.